Afghanistan 1969 - Das Angebot    zurück
Nach dem Ende unserer Abiturfahrt 1968 in die Türkei durfte ich alsbald meinen 18-monatigen Grundwehrdienst antreten. Man hielt mich wegen meiner starken Kurzsichtigkeit von >8.0 Dptr. nur für den Sanitätsdienst geeignet, wo ich dann mit 99%-iger Sicherheit nur angehenden Medizin-Studenten begegnen sollte. Nun ja, da trat ich also im Oktober 1968 meine Grundausbildung als Wehrpflichtiger in München an.

Einige furchtbare Monate danach wurde während des Unteroffizierslehrgangs eine einwöchige „Feldübung“ am Kranzberg bei Klais / Mittenwald angesagt. Mitte Februar war das eine sehr kalte und schneereiche Angelegenheit. Um Erfrierungen vorzubeugen, wurde noch in der ersten Nacht von der Kompanieführung verfügt, aus der nahen Mittenwalder Gebirgsjägerkaserne mehrere Großzelte, Heizöfen und Strohballen zu organisieren. Die Beschaffung wurde mein „Spezialauftrag“. Es trifft doch immer die Kleinsten. Die Kaserne kannte ich aufgrund der ausführlichen Schilderungen meines Vaters aus der Nazi-Zeit vor damals genau 30 Jahren nur als wahren Schreckens- und Leidensort. Entsprechend bedrückend waren meine Gefühle bei dieser nächtlichen Beschaffungsaktion. Unser LKW wurde aber von zwei jungen Gebirgsjäger-Unteroffizieren (Sepp und Vico) sehr freundlich empfangen und sie halfen uns alles ganz schnell zu verladen. Das blieb die ganze Übungs-Woche so, denn ich musste mindestens 1 * pro Tag neue Strohballen holen. Natürlich kamen wir dabei ins Reden und ich konnte meine Begeisterung für die Türkei, das Bergsteigen und das Skifahren mit Gleichgesinnten teilen.

Und so wurde ich schon einige Tage nach der Feldübung von meinen Vorgesetzten in München gefragt, ob ich evtl. Interesse an einem 2-monatigen Spezial-Einsatz hätte, den ich während eines Sanitäts-Offizierslehrgangs im Sommer offiziell absolvieren könnte. Näheres sollte ich bei einigen Eignungs- und Konditionstests mit meinen neuen „Freunden aus Mittenwald“ erfahren. Zu diesen Tests würde ich von meiner Kompanie sofort freigestellt. In meinem jugendlichen Leichtsinn fragte ich gar nicht nach dem eigentlichen Zweck und Ziel dieser Unternehmung. Alles schien mir besser als dieser öde und für mich als Kriegsdienstgegner völlig nervige Kasernen-Dienst.

Wir sollten, so unser Auftrag, uns nur direkt auf dem zur damaligen Zeit stark in Mode gekommenen Hippie-Trail nach Afghanistan  Indien aufhalten und uns unter diesem irgendwie immer „verdächtigem Volk umhören“. Im Land dann selbst waren zwanglose Gespräche mit der Bevölkerung vorgesehen. Das Ganze mehr oder weniger getarnt als kleine private Bergsteigergruppe mit Aussteiger-Ambitionen. Nun bin ich mir aber auch gut 55 Jahre später immer noch über den wahren Zweck des Unternehmens im Unklaren. Aus heutiger Sicht handelte es sich um eine verdeckte Vor-Ort-Erkundung in Kabul im Rahmen des Kalten Krieges. Darauf deutet m.E. auch dis Tatsache hin, dass ich in allen afghanischen Orten von meinen Begleitern zumeist ganztägig allein gelassen wurde. Mir war das damals ganz Recht. Man wollte wohl auch mit Hilfe der Hippies irgendwie die Stimmung für Umsturz und Veränderung im Land am Hindukusch hautnah „erspüren“. Oder man wollte erfahren, welchen Einfluss die Sowjetunion schon auf die Bevölkerung hatte. Afghanistan war zu dieser Zeit noch ein „Königreich“, aber schon von einem erheblichen wirtschaftlichen Abschwung gezeichnet, und das Volk war und ist ja bitterarm.

Als Geschenk und als Anerkennung der Arbeit wurden uns einige "private" Hochtouren in der Türkei versprochen, wo ich sonst nie hingekommen wäre. Darüberhinaus konnte ich mir für das letzte halbe Jahr meiner Wehrdienstzeit einen lockeren Platz als Sportlehrer bei den Stabsärzten der Sanitätsakademie in München sichern.